Hallo zusammen!
Kann mir jemand von euch erklären, inwiefern die Kantkrise Kleists einen Einfluss auf "Die Marquise von O..." genommen hat bzw. sich darin wiederspiegelt? Wir haben das im Unterricht nicht so richtig besprochen. Es war ja so, dass Kleist davon ausgegangen ist, das Streben nach Wahrheit habe den höchsten Wert. Die kantische Philosophie stellt ja in Frage, ob die Wahrheit wirklich wahr ist. Inwiefern steht dies jetzt im Bezug zur Novelle
(falls es überhaupt einen gibt). Ich habe mal gelesen, dass durch die vorherrschende Sprachlosigkeit die Thematik des "Unsagbaren" hervorgestellt wird, also die Problematik, das seelische Auszudrücken (wie es ja bei den Figuren offenbar der Fall ist). Hat das etwas damit zu tun?
Vielen Dank schon mal
Kann mir jemand von euch erklären, inwiefern die Kantkrise Kleists einen Einfluss auf "Die Marquise von O..." genommen hat bzw. sich darin wiederspiegelt? Wir haben das im Unterricht nicht so richtig besprochen. Es war ja so, dass Kleist davon ausgegangen ist, das Streben nach Wahrheit habe den höchsten Wert. Die kantische Philosophie stellt ja in Frage, ob die Wahrheit wirklich wahr ist. Inwiefern steht dies jetzt im Bezug zur Novelle

Vielen Dank schon mal

Aus der Kant-Krise geht Kleist mit der Einstellung, dass es keine objektive Erkenntnis geben kann, hervor.
Der Mensch (bzw. die Marquise) bekommt von der Außenwelt Eindrücke geliefert, die interpretiert werden müssen, um zu einer (subjektiven) Erkenntnis zu gelangen, bei der es aber keine Garantie gibt, dass diese tatsächlich (objektiv) der Wahrheit entspricht. Die Marquise strebt die ganze Zeit danach, den Kindsvater ausfindig zu machen (= die Wahrheit herauszufinden) und muss sich dabei auf Hinweise verlassen, und auch als sie den den Grafen findet, kann sie nie sicher sein, dass er tatsächlich der Vergewaltiger war (es könnte genau so gut wirklich der Jäger Leopardo gewesen sein, dadurch dass sie bewusstlos war, weiß sie es ja nicht sicher).
So hab ich mir das jetzt überlegt: die Marquise strebt zwar nach einer Erkenntnis, findet sie prinzipiell auch, aber es gibt keine Sicherheit, dass diese auch wirklich der objektiven Wahrheit entspricht.
Das wäre jetzt meine Meinung dazu
Die Thematik des Unsagbaren kenne ich auch als biografischen Deutungsansatz, ich bin mir aber nicht sicher, ob das direkt mit der Kant-Krise zusammenhängt (möglich ist es aber), so genau kenne ich Kants Philosophie dann doch nicht
Der Mensch (bzw. die Marquise) bekommt von der Außenwelt Eindrücke geliefert, die interpretiert werden müssen, um zu einer (subjektiven) Erkenntnis zu gelangen, bei der es aber keine Garantie gibt, dass diese tatsächlich (objektiv) der Wahrheit entspricht. Die Marquise strebt die ganze Zeit danach, den Kindsvater ausfindig zu machen (= die Wahrheit herauszufinden) und muss sich dabei auf Hinweise verlassen, und auch als sie den den Grafen findet, kann sie nie sicher sein, dass er tatsächlich der Vergewaltiger war (es könnte genau so gut wirklich der Jäger Leopardo gewesen sein, dadurch dass sie bewusstlos war, weiß sie es ja nicht sicher).
So hab ich mir das jetzt überlegt: die Marquise strebt zwar nach einer Erkenntnis, findet sie prinzipiell auch, aber es gibt keine Sicherheit, dass diese auch wirklich der objektiven Wahrheit entspricht.
Das wäre jetzt meine Meinung dazu

Die Thematik des Unsagbaren kenne ich auch als biografischen Deutungsansatz, ich bin mir aber nicht sicher, ob das direkt mit der Kant-Krise zusammenhängt (möglich ist es aber), so genau kenne ich Kants Philosophie dann doch nicht

Ich glaube man kann Kleists Kantkrise auch darauf beziehen, dass es in der Marquise keinen nur guten oder bösen Charakter gibt. Er stellt explizit heraus, dass jeder Mensch gute und schlechte Seiten hat. Das kann man auch damit verbinden, dass die Wahrheit subjektiv ist: Jeder nimmt Menschen anders wahr und es ist alles situationsabhängig.
Man kann diese Einstellung Kleists also an sehr vielen Stellen der Novelle erkennen. Die Rettung der Marquise durch den Grafen, zum Beispiel, wirkte auch nur anfangs wie eine Rettung, nämlich nur, bis sie herausfand vergewaltigt worden zu sein. Also das was die Marquise und ihr Familie als Wahrheit empfanden, nämlich, dass die Marquise gerettet wurde, stellt sich später als falsch heraus.
Ich hoffe ich konnte weiterhelfen
Man kann diese Einstellung Kleists also an sehr vielen Stellen der Novelle erkennen. Die Rettung der Marquise durch den Grafen, zum Beispiel, wirkte auch nur anfangs wie eine Rettung, nämlich nur, bis sie herausfand vergewaltigt worden zu sein. Also das was die Marquise und ihr Familie als Wahrheit empfanden, nämlich, dass die Marquise gerettet wurde, stellt sich später als falsch heraus.
Ich hoffe ich konnte weiterhelfen

Danke euch nochmal, dass hat mir wirklich sehr geholfen! Leider kam im GK nichts zur Marquise dran...